Fehlerkultur I - "Definition Fehler"

Fehlerkultur I - "Definition Fehler"

Mittwoch, April 10, 2024 Definition Fehler Fehler Fehlerkultur

Dieser Artikel ist Teil der Projektarbeit "Fehlermanagement im Rettungsdienst" im Rahmen des CAS QM an der ZHAW 1/2016. In einer dreiteiligen Serie wird hier in den nächsten Tagen das Thema Fehlerkultur - Fehlermanagement mit Schwerpunkt Rettungsdienst aufgearbeitet. Das Thema lässt sich aber auch auf jedes andere Unternehmen übertragen.

Definition Fehler

Im Sinne des Qualitätsmanagements bedeutet ein Fehler die Nichterfüllung einer Anforderung. Man kann einen Fehler als „Eine geplante Handlung erreicht das gewünschte Ziel nicht.“  definieren. D.h. eine Handlung wird entweder nicht wie geplant durchgeführt oder der Handlung liegt ein falscher Plan zugrunde. Es spielt keine Rolle, ob ein Schaden daraus entsteht. Man kann zwischen aktiven und latenten Fehlern unterscheiden. Aktive Fehler sind Ereignisse, die unmittelbar eine Konsequenz haben. Sie können schnell zu einem Zwischenfall führen. Latente Fehler führen nicht direkt zu einem Zwischenfall. Sie liegen oft in der Organisation, Prozessen oder in Strukturen. Sie führen erst in Verbindung mit einem aktiven Fehler zu einem Zwischenfall. Wenn latente Fehler vorliegen und es zu aktiven Fehlern kommt, spricht man von einer Fehlerkette, die meist zu einem Zwischenfall führt. Man geht davon aus, dass nie ein einzelner Fehler zu einem Zwischenfall führt. Insbesondere bei der Untersuchung von menschlichen Fehlern fällt auf, dass Co-Faktoren die Fehlerwahrscheinlichkeit erhöhen. Das Schweizer-Käse-Modell zur Fehlerentstehung und Fehlerdynamik nach James Reason stellt dieses sehr anschaulich dar. Dieses Modell geht davon aus, dass aus einer Gefahr nur dann ein Unfall oder ein unerwünschtes Ereignis entstehen kann, wenn die dazwischen liegenden „Sicherheitsbarrieren", wie z.B. technische Alarme oder Menschen, versagen und damit Löcher verursachen. Diese Löcher müssen dann auch noch durch besondere Umstände genau in einer Achse liegen. „Wenn konstante oder regelmässig auftretende Konstellationen zu Fehlern führen, sind dies systematische Fehler.“ Vor allem diese systematischen Fehler bieten Ansatzpunkte für eine wirksame Fehlerprävention. Man kann Fehler auch nach ihrer Schwere einstufen: - Beinahe-Fehler oder „Near-Miss-Incident“ beschreibt das rechtzeitige Erkennen eines Ereignisses mit hohem Fehlerpotential. - Das Ereignis oder „Incident“ umfasst Situationen, in denen ein Fehler aufgetreten ist, dieser aber rechtzeitig bemerkt und korrigiert wurde. Für den Patienten sind Ereignisse weitestgehend folgenlos. - Zwischenfälle oder „Critical Incidents“ sind wesentlich schwerwiegender und können mittelfristig Folgen für den Patienten haben. Zwar wird ein Fehler erkannt, und korrigiert, oft allerdings erst mit einer erheblichen Verzögerung. „Gerade nochmal gut gegangen“ - Wird ein Fehler nicht erkannt oder korrigiert, sprechen wir von einem Unfall. In der Literatur werden Begriffe wie „Severe Incident“ oder „Sentinel event“ genannt. Neben Personenschäden (Tod, Verletzung, Erkrankung) kann es auch zu Vermögensschäden (Geld, Zeit, Material, Motivation oder Imageverlust) kommen. Diese Definitionen gelten nicht nur für das Gesundheitswesen, sondern lassen sich auf alle Alltagsbereiche und Unternehmen anwenden. In der Privatwirtschaft handelt es sich bei den Folgen von Fehlern vor allem um Vermögensschäden. Jedoch gibt es auch eine positive Sichtweise von Fehlern. Jeder Fehler führt zu einer Erfahrungs- und Wissenszunahme, sofern er genauer betrachtet und genutzt wird.

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