Fehlerkultur III - Einführung eines Fehlermanagements und einer Fehlerkultur

Fehlerkultur III - Einführung eines Fehlermanagements und einer Fehlerkultur

Dieser Artikel ist Teil der Projektarbeit "Fehlermanagement im Rettungsdienst" im Rahmen des CAS QM an der ZHAW 1/2016. Im letzten Teil der Serie befassen wir uns mit der konkreten Einführung eines Fehlermanagements und einer Fehlerkultur.

Die Begriffe Fehlermanagement und Fehlerkultur sind klar zu unterscheiden. Während Fehlermanagement sich auf alle Massnahmen zur Fehlererkennung und -vermeidung bezieht, geht es darum bei der Fehlerkultur die optimale Basis hierfür zu schaffen. Im Folgenden werden Massnahmen für die Umsetzung von Fehlerkultur und Fehlermanagement in verschiedenen Bereichen mit dem Schwerpunkt Rettungsdienst dargestellt. Die Empfehlungen lassen sich jedoch auch auf andere Unternehmen entsprechend übertragen.

1. Strategische und Operative Führung

strategisch

Entscheidend für ein Gelingen der Einführung eines Fehlermanagements ist die volle Unterstützung der obersten und der operativen Führung. „Das Top-Management muss sich den Zielen und der Vision einer informierten Kultur verpflichten und bereit sein, bestehende Grundannahmen zu hinterfragen und diese aufzugeben.“ Es ist wichtig, dass vor allem die Führungskräfte die Fehlerkultur als Vorbild vorleben, und beispielsweise selbst offen zu ihren Fehlern stehen und Lernmöglichkeiten aufzeigen. Die Sichtweise von Fehlern als „Systemfehler“ muss von allen Führungskräften akzeptiert sein. Menschliches Handeln und die damit verbundenen Fehlbarkeiten müssen anerkannt werden. Daraus resultiert, dass bei Fehlern Ursachenforschung statt Bestrafung betrieben wird. Für die Einführungsphase sollte es einen Projektleiter als verantwortlichen Ansprechpartner geben. Dies wird in der Regel der Qualitätsmanager sein, der eine Stabsfunktion mit klar geregelten Kompetenzen für die Durchsetzung qualitätsrelevanter Aufgaben hat. Er muss bei allen strategischen und operativen qualitätsrelevanten Fragen einbezogen werden. Bestenfalls ist er in der Geschäftsleitung eingebunden. Wie auch in der ISO 9001:2015 in Kap. 5.1 beschrieben, müssen genügend Ressourcen für ein entsprechendes Qualitätsmanagement zur Verfügung gestellt werden. Für weitere Themengebiete wie Bildung, Hygiene oder für technische Fragen können und sollten weitere Verantwortliche beigezogen und klar benannt werden. Die Mitarbeiter müssen als Mitdenker akzeptiert und sollten in Entscheidungen mit einbezogen werden. Wenn das Leitbild von den Mitarbeitern mitentwickelt wurde, ist die Akzeptanz und die Identifikation mit diesen Werten höher, d.h. die Mitarbeiter werden diese im Alltag eher umsetzen.

operativ im Gesundheitswesen

Die Dienstplanung sollte so erfolgen, dass die Belastung der Mitarbeiter so weit wie möglich reduziert und Überbelastung verhindert wird. Während des Dienstes müssen regelmässige Pausen und Abschirmung möglich sein. Powernaps können die Aufmerksamkeit und das Fehler- und Unfallrisiko für eine gewisse Zeit reduzieren. Das Arbeitsgesetz gibt Minimalstandards in Bezug auf Höchstarbeitszeiten und Pausen vor. Das Angebot von Kaffee ist bei Müdigkeit nur bedingt hilfreich. Bei der Einsatzdisposition sollte die Team-Auslastung mit einbezogen werden und nicht nur die Nächste-Fahrzeug-Strategie oder die Strategie der zuständigen Rettungsmittel gelten. Wenn ein Team mehrere Stunden am Stück ohne Pausen von einem Einsatz zum nächsten fährt steigt das Risiko von gefährlichen Fehlern. Um den Erfolg der Einführung eines Fehlermanagements sicherzustellen, müssen vor und während der Umsetzung eine Schulung der Mitarbeiter mit Überprüfung der Schulungsmassnahmen und klare, regelmässige Informationen der Mitarbeiter zu Massnahmen und Verlauf stattfinden.

operativ in Bürobetrieben

Auch in Bürobetrieben sollte auf eine möglichst geringe Zusatzbelastung (z.B. durch Lärm, Störungen und Unterbrechungen) geachtet werden. Die Mitarbeiter sollten jederzeit die Möglichkeit haben, kurze Pausen zu machen. Powernaps können die Arbeitseffizienz um ca. 10% erhöhen und das Fehlerrisiko reduzieren.

2. Mitarbeiter / Personal

Der Faktor Mitarbeiter beginnt bereits bei der Auswahl des Personals. Es sollten entsprechende strukturierte Prozesse für die Personalauswahl vorliegen, die die Qualitätspolitik der Organisation widerspiegeln. Entscheidend für die Wissensgenerierung und damit auch Erreichung von Kosten- und Qualitätszielen eines Betriebes ist das Einstellen und Erhalten innovativer Mitarbeiter. Qualifizierte und motivierte Mitarbeiter erkennen und melden Fehler schneller und finden schneller eine Lösung. Um dieses zu erreichen muss ein Arbeitgeber mehr bieten als andere Arbeitgeber, wobei das Gehalt (sofern es nicht unter dem Durchschnitt liegt) langfristig eine geringere Rolle spielt. Eine Fehlerkultur muss bereits den Studierenden vor allem von ihren Praxisanleitern von Anfang an vorgelebt werden. Regelmässige Aktionen wie Teamevents, Ausflüge, Führungen in Fremdbetrieben oder Fortbildungen mit Partnerorganisationen können die Motivation bei allen Beteiligten steigern, Vorurteile abbauen und durch ein kollegialeres Klima untereinander in Einsätzen eine offene und klare Kommunikation vereinfachen, da alle Beteiligten die Arbeitsweisen und Möglichkeiten des anderen kennen. Rettungsdienst bietet erhebliche Risiken für physische und psychische Belastung, die durch private Faktoren verstärkt werden können. Dementsprechend sind einerseits das Führungspersonal und andererseits auch die Teamkollegen angehalten, Belastungen bei anderen zu erkennen, damit frühzeitig Massnahmen (z.B. bei belastenden Einsätzen oder bei Krankheit im Dienst Ersatz organisieren) ergriffen werden können. In Bezug auf die Mitarbeitersicherheit, die gesetzlich als Verpflichtung des Arbeitgebers verankert ist müssen nach regelmässiger Gefährdungsabschätzung entsprechende Sicherheitsmassnahmen, wie das Tragen von Schutzkleidung umgesetzt und kontrolliert werden.

3. Fahrzeuge

Bereits bei der Planung von Fahrzeugen sollten diese schon an die betrieblichen Notwendigkeiten und Prozesse und dem Aspekt der Sicherheit geplant werden. Die SN EN 1789 (Norm für den Bau und die Minimalausstattung für Rettungswagen) gibt zwar Minimalvorgaben vor, jedoch bietet sie auch Flexibilität in der Umsetzung. Bereits durch die Fahrzeuggestaltung können Prozesse vereinfacht und sicherer gestaltet werden (z.B. durch Positionierung med. Geräte wie Monitor und Beatmungsgerät oder des Materials). Als Qualitätsmanagement-Tool kann MFMEA die Fahrzeugkonstruktion unterstützen. Ein Beispiel ist die Planung und Auswahl der Sondersignalanlage. Aus Erfahrungswerten zahlreicher Rettungsdienste weltweit wird die Sicherheit im Strassenverkehr durch besonders auffällige Blaulichter (z.B. Anbringung vor der Stossstange zur Seite blitzend, um beim Einfahren in eine Kreuzung früher gesehen zu werden) und einem Martinshorn (Presslufthorn) erhöht, und die Unfallrate gesenkt. Häufig wird das „normale“ Horn nicht wahrgenommen, da Nebengeräusche wie Musik im Fahrzeug zu laut oder die modernen Fahrzeuge zu gut schallgedämmt sind. Ein weiterer wichtiger Punkt, der bereits bei der Planung bedacht werden sollte, ist die geplante Ausstattung der Fahrzeuge, sodass nach Auslieferung nicht noch kostspielige Anpassungen vorgenommen werden müssen. Die Fahrzeuge sollten möglichst alle gleich und komplett ausgestattet sein, um bei spontaner Nutzung (z.B. beim Schichtwechsel oder Grossschadensereignissen) von aktuell nicht genutzten Fahrzeugen im Einsatz nicht überrascht zu werden, weil Material fehlt oder unvollständig ist. Einheitliche Fahrzeuge und -ausstattung reduziert das Fehlerrisiko, da Handgriffe und Bedienungsschritte nicht erst überdacht werden müssen, sondern automatisiert ablaufen können. Aus diesem Grund bietet es sich an, ganze Fahrzeugflotten oder zumindest mehrere Fahrzeuge gleichzeitig zu ersetzen. Auf diese Weise kommt es auch zu erheblichen Einsparung durch Rabatte beim Fahrzeughersteller.

4. Ausrüstung

Durch eine entsprechende Ausrüstung kann das Risiko von Fehlern durch Fehlbedienung, Fehlgriffe oder durch allgemeines menschliches Versagen reduziert werden. Folgende Punkte sollten bedacht werden: Die Ausrüstung sollte auf allen Fahrzeugen gleich und am gleichen Ort sein. Auf diese Weise kann verhindert werden, dass Material bei einem Einsatz vor dem Fahrzeugcheck vergessen wird oder noch nicht umgeräumt wurde. Des weiteren wird Material automatisch am gleichen Ort gesucht. Auf allen Fahrzeugen muss die gesamte Vollausstattung vorhanden sein, sodass nicht Material, wie z.B. medizinische Geräte in Spitälern ausgeliehen werden müssen. Neben der rechtlichen Problematik der in der Regel nicht vorhandenen vorgeschriebenen Einweisung, der ggf. fehlenden passenden Halterung (und damit auch rechtlichen Problematik wegen falscher Ladungssicherung) ist das Risiko einer Fehlbedienung dadurch sehr hoch. Es sollte genügend Ersatzmaterial (Koffer, Rucksäcke usw.) vorhanden sein, damit nach einem Einsatz sehr schnell die Einsatzbereitschaft wieder hergestellt werden kann und dann genügend Zeit bleibt, in Ruhe und ohne Stress das Material wieder nach Checkliste zu retablieren. Es sollte stets ein Plan B (und ggf. Plan C) bei der Ausstattung bedacht werden. Es kann immer zu einem technischen (z.B. Absaugpumpe defekt) und/oder menschlichen Versagen (z.B. Probleme bei der Atemwegssicherung) kommen. Insbesondere bei der Ausstattung für Kindernotfälle wird dieser Aspekt häufig zu wenig beachtet. Für die regelmässige Prüfung von technischen Geräten und der übrigen Ausrüstung sollten klare Checklisten vorhanden sein und Verantwortliche definiert werden. Die Prüfungen der Geräte müssen klar dokumentiert werden, um ggf. häufige Fehler bei bestimmten Geräten an den Hersteller weiterleiten und/oder beheben zu können. Bei technischen Geräten besteht die Gefahr, dass das Gerät fehlinterpretiert wird, dementsprechend muss bei der Entwicklung der Benutzeroberfläche der Geräte darauf eingegangen werden (weniger ist manchmal mehr). Moderne Geräte bieten oft Feedbackmöglichkeiten, um menschliche Fehler frühestmöglich aufzuzeigen und eingreifen zu können. Ein typisches Beispiel sind die Alarmfunktionen bei Beatmungsgeräten, wenn die Einstellungen nicht korrekt sind, oder der Patientenzustand sich ändert. Bei allen modernen Monitoren können die Alarmgrenzen individuell eingestellt werden, um umgehend auf Veränderungen des Patientenstatus eingehen zu können. Zwingend ist hier eine regelmässige intensive Schulung der Mitarbeiter. Die automatische elektronische Dokumentation z.B. durch Übernahme von Messwerten von Monitor oder Beatmungsgeräten können Dokumentationsfehler verhindert und der Mitarbeiter entlastet werden.

5. Organisation

Organisation - Struktur

„Die erfolgreiche Anwendung eines QM-Systems steht und fällt mit dem Engagement der Führungskräfte für die Qualität.“ Qualität ist eine Managementaufgabe, weshalb das Qualitätsmanagement im Organigramm als Stabsstelle positioniert sein und mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet sein muss. Es ist Aufgabe des Managements, die notwendigen Rahmenbedingungen für ein wirksames Qualitätsmanagement zu schaffen.

Organisation - Planung und Prozesse

Im Bereich Organisation lässt sich sehr gut die 5-P-Regel (Proper Preparation prevents poor performance (Gute Vorbereitung verhindert schlechte Leistungen)) anführen. Das heisst, je besser strukturiert die Organisation ist, desto eher können Fehler erkannt und verhindert werden. Für viele Bereiche bieten sich Checklisten und Algorithmen, bzw. Prozessbeschreibungen an: Checklisten für die Übergabe. Diese sollte möglichst kompakt sein, damit sie auch bei Übergaben zwischen Rettungsdienst und Klinik eingesetzt wird. Das System hat sich bereits in vielen OPs bewährt und Informationen gehen nicht so leicht verloren. Checklisten für grössere Einsätze, da diese sehr selten sind und die Belastung für das Personal allein aufgrund der Situation sehr hoch. Das Fehlerrisiko ist dadurch erheblich und insbesondere Fehlentscheidungen am Beginn des Einsatzes sind in der Regel folgenschwer. Für alle übrigen Einsätze sollten Einsatzalgorithmen vorhanden sein und auch die Verwendung der Algorithmen z.B. in Karten- oder Handbuchform bei Bedarf im Einsatz umgesetzt werden. Für mögliche Zwischenfälle in der Organisation sollten Notfallpläne vorhanden sein (z.B. Unfall eines Einsatzfahrzeuges, Verletzung eines Mitarbeiters im Einsatz). Prozesse sollten grundsätzlich so einfach wie möglich dargestellt sein. Die Anzahl von Prozessbeschreibungen sollte so gering wie möglich gehalten werden. Auch bei der Logistikplanung sollten Sicherheitsaspekte und Einfachheit im Vordergrund stehen. Materialtransporte sollten, wenn nötig mit dafür vorgesehenen Fahrzeugen mit entsprechender Ladungssicherung durchgeführt werden. In vielen Bereichen können, um das Risiko von unglücklichen oder dummen Fehlern zu reduzieren, technische Vorkehrungen getroffen werden („Poka Yoke“). Typisches Beispiel hierfür sind Steckverbindungen, die nicht falsch ineinandergesteckt werden können. Um Fehlerrisiken frühzeitig zu erkennen sollte ein CIRS-System eingeführt werden. Ideenmanagement und Qualitätszirkel in Verbindung mit einem KVP ermöglichen, Optimierungen bereits vor dem Auftreten der ersten Anzeichen von kleineren Fehlern einzugreifen.

6. Einsatzablauf

Vielfach wird bei der Disposition die „Nächste-Fahrzeug-Strategie“ angestrebt. Sollte dadurch jedoch ein Team mit einer hohen Workload, d.h. nach mehreren Stunden Einsätzen ohne Pausen das nächste Fahrzeug sein, kann das Ausweichen auf ein anderes Team mit längerer Anfahrt das Risiko von Fehlern durch ein überlastetes Team reduzieren. Im Einsatzablauf lässt sich das Risiko einer Gefährdung der Mitarbeiter frühzeitig reduzieren, indem bei bekannt risikoreichen Einsatzorten bereits weitere Einsatzkräfte (z.B. Polizei) mit aufgeboten werden. Dies lässt sich technisch mit einer Kopplung von Adressen mit Information für das Einsatzteam und den Disponenten umsetzen. Auf der Anfahrt zum Einsatzort kann aus der Fliegerei gelernt werden - in den riskanten Momenten, während Start und Landung gilt die Regel des „Silent Cockpit“. D.h. es werden nur flugrelevante Themen gesprochen. Das selbe liesse sich bei Sondersignalfahrten umsetzen, die ein 8fach erhöhtes Unfallrisiko bieten. Während der Anfahrt muss eine klare Aufgabenzuteilung gelten. Auf diese Weise kann sich der Fahrer voll auf die Fahrt konzentrieren. Am Einsatz bieten sich die Kommunikationsstandards aus dem CRM (Crew Ressource Management) an, die das Risiko von Fehlern reduzieren sollen. Einige Beispiele sind: - 10 Sekunden für 10Minuten: Lieber 10 Sekunden Nachdenken statt 10 min. in die falsche Richtung zu laufen; die Technik ist zur Entschleunigung - Re-Evaluation: Erneute Beurteilung einer Situation - Read Back: Wiederholung von Informationen zur Bestätigung des Empfangs - Step-Back: „Schritt zurück“: Technik zur Wiederherstellung des Gesamtüberblicks „Eine optimale Anwendung von CRM im Alltag setzt aber auch Bedingungen in der Organisation voraus, welche das sichere Handeln unterstützen und begleiten. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer positiven Sicherheitskultur als Voraussetzung für sicheres Handeln im praktischen Alltag.“ Nach dem Einsatz sollte nach Bedarf eine Einsatznachbesprechung im gesamten Team stattfinden, um aus Fehlern zu lernen, Unklarheiten zu Beseitigen oder potentielle Konflikte frühzeitig zu lösen.

7. Bildung

Grundsätzlich sollte vor Beginn der Bildungsplanung ein Soll-Ist-Vergleich stattfinden und kurz- und mittelfristige Ziele festgelegt werden. Insbesondere mit dem Aspekt Fehlermanagement bieten sich CRM-Trainings an. Diese gibt es in verschiedenen Varianten und Kursdauern. Das Erste CRM-Training sollte innerhalb kurzer Zeit in einer Abteilung stattfinden. Dies ist wichtig, damit die gelernten Verhaltensweisen schneller umgesetzt werden und sich festigen können. Danach werden jährliche Trainings empfohlen. Die Inhalte aus den CRM-Trainings können auch bei anderen praktischen Trainings regelmässig wiederholt werden, was den Lernerfolg entsprechend steigert. Neben den CRM-Themen sollten auch Schulungen zur Reduktion der Belastung und damit einem erhöhten Fehlerrisiko gehalten werden. Themen sollten sein: Stressreduktion, Ernährung im Schichtdienst, ggf. Sport. Durch optimierte Fortbildungen und standardisierte Schulungskonzepte für alle Mitarbeiter kann die Zusammenarbeit optimiert werden, da nach diesen Konzepten alle eine „einheitliche Sprache sprechen“, wodurch das Fehlerrisiko reduziert wird. Ein Mitarbeiterentwicklungskonzept kann die Mitarbeiter motivieren, sich weiter zu qualifizieren. Insbesondere Mitarbeiter mit höherem Bildungsstand können bei Bildungsmassnahmen, die dem Angleichen an einen Minimalstandard dienen, unterfordert werden. Die Meldungen aus dem CIRS können in Fortbildungen abgehandelt und besprochen werden, wobei diese möglichst nicht vom Melder gehalten werden sollte, da dies zu Ablehnung führen kann. Alternativ kann in den internen News jeweils ein „Fehler des Monats“ beschrieben werden. Um die Zusammenarbeit mit den Partnerorganisationen zu optimieren, können regelmässig gemeinsame Fortbildungen stattfinden.

8. QM-Massnahmen

Im Rahmen der Einführung eines Fehlermanagements muss der Qualitätsverantwortliche die notwendigen Kompetenzen für die Umsetzung besitzen. Es ist zwingend notwendig, dass er die Unterstützung und den Rückhalt der Rettungsdienstleitung und der Geschäftsleitung hat. Eine echte Fehlerkultur kann nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. Aus diesem Grund muss die Kultur von allen Beteiligten vorgelebt werden und bei den Mitarbeitern ein Bewusstsein für die Notwendigkeit und das notwendige Vertrauen geschaffen werden. Darauf aufbauend können die weiteren Tools, wie z.B. CIRS schrittweise umgesetzt werden. Die Erfolge der Umsetzung sollten einheitlich vom Qualitätsverantwortlichen gemessen und ausgewertet werden. Dazu gehören unter anderem die Auswertung des CIRS und Beschwerdemanagements, die Qualität der Fortbildung, Rückmeldungen zu Gerätefehlern usw.. Insbesondere in partnerschaftlichen Rettungsdiensten könnten bei regelmässigen Treffen der Qualitätsverantwortlichen Kernthemen und Probleme besprochen und gemeinsame Lösungen erarbeitet werden.

9. Umsetzung

Gemäss Regener sind die konkreten Schritte eines Fehlermanagements:

- Identifikation des aufgetretenen Fehlers,

- Reporting (anonym oder namentlich),

- Bewertung,

- Ursachenanalyse,

- Lösungsvorschläge,

- Verantwortung zuordnen,

- Wirksamkeitsüberprüfung.

Die Umsetzung einer Fehlerkultur ist um so schwerer und zeitaufwändiger. Entscheidend ist an erster Stelle, wie schon beschrieben, die Unterstützung durch die Führung. Von ihnen muss die Fehlerkultur vorgelebt und das Vertrauen der Mitarbeiter erreicht werden. In vielen Fällen müssen dafür bei der Führung grundlegende Denkweisen bewusst geändert werden. Um eine klare Planung vorzunehmen, muss ein Soll-Ist-Vergleich stattfinden. Der nächste Schwerpunkt liegt bei der Kommunikation und Information, sowie Schulung der Mitarbeiter. Gerüchte sollten frühestmöglich verhindert werden. Die Umsetzung einer Fehlerkultur kann leichter gelingen, wenn im Team vorhandene Mitarbeiter das System unterstützen. Dies können beispielsweise Mitarbeiter aus dem Qualitätszirkel sein. Erst wenn ausreichend Vertrauen der Mitarbeiter vorhanden ist, lassen sich schrittweise die einzelnen „Tools“ und Konzepte umsetzen.

10. Überprüfung der Umsetzung

Eine genaue Überprüfung einer „Fehlerkultur“ anhand von stichhaltigen, klaren Messwerten ist nicht möglich. Es kann ein Soll-Ist-Abgleich stattfinden. Die Anzahl Fehlermeldungen im CIRS oder direkte Meldungen, eine Reduktion von Schäden, die Anzahl eingereichter Ideen beim Ideenmanagement oder Ergebnisse aus der Protokollkontrolle können Indizien für eine erfolgreiche Umsetzung sein. Exemplarisch sollen hier einige Messmöglichkeiten für einige „Tools“ genannt werden, die eine gewisse Aussagekraft über die erfolgreiche Umsetzung einer Fehlerkultur haben können:

ToolMögliche Messparameter
ProtokollkontrolleAnzahl Fehler nach Schweregrad/Berechnung eines Index, Einsatzdauer, Ausrückzeit, (Algorithmenkonformität),…
SupervisionAlgorithmenkonformität, qualitative Rückmeldungen
Feedback aus der KlinikKorrektheit der Verdachtsdiagnose
BeschwerdemanagementAnzahl Beschwerden pro Zeitintervall, qualitative Auswertung der Beschwerden, …
Patientenbefragungensubjektive Versorgungsqualität, qualitative Auswertung der Befragung, …
QualitätszirkelAnzahl der Ideen, finanzielle Einsparungen, …
IdeenmanagementAnzahl Ideen pro Zeitintervall, Anzahl umsetzbarer/umgesetzter Ideen, finanzielle Einsparungen, …

11. Was kann nun die Privatwirtschaft vom Gesundheitswesen lernen?

Es hat lange gedauert und wird sicher noch viel Zeit in Anspruch nehmen, bis sich die Fehlerkultur, wie sie in der Luftfahrt gelebt wird, auch im gesamten Gesundheitswesen auf dem gleichen Stand sein wird. Eine offene Fehlerkultur in Unternehmen bietet, wie im Gesundheitswesen, zahlreiche Vorteile. Vor allem: - Man kann aus Fehlern lernen! Auch wenn Fehler häufig mit Kosten verbunden sind, bringen diese, wenn diese richtig analysiert werden, einen Erfahrungs- und Wissensgewinn. - Unternehmen mit einer offenen Fehlerkultur haben in der Regel ein besseres Arbeitsklima. Die Mitarbeiter sind motivierter und bereit auch mehr Leistung zu bringen. Die Fluktuationsrate ist in der Regel geringer, wodurch erhebliche Kosten eingespart werden. Wie auch im Gesundheitswesen muss eine entsprechende Kultur von den Führungskräften entsprechend konsequent vorgelebt werden. Eine Unternehmenskultur zu ändern ist nicht einfach und kostet Zeit. Wichtig ist der Einbezug der Mitarbeiter in die Veränderungsprozesse.

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